Die Tanzwelt blickt nach Linz! Roma Janus, künstlerische Leiterin der Tanzsparte, ist das Glanzstück gelungen, mit Sidi Larbi Cherkaoui einen der weltbesten und renommiertesten Choreografen nach Linz zu holen.
Beim SF am 16.2.2025 wurden den Besuchern Kostproben aus dem Doppelabend Fall / Orbo Novo und spannende Einblicke in diese herausfordernde Produktion geboten.
Sidi Larbi Cherkaoui, Belgier mit marokkanischen Wurzeln, ist ein vielfach ausgezeichneter Choreograf, der in verschiedenen Disziplinen arbeitet – darunter Kino, Broadway, Musikvideos und Oper. Seit 2015 war er Künstlerischer Leiter des Königlichen Balletts von Flandern und wechselte 2022 an die Spitze der Ballettkompanie des Grand Théâtre de Genève. In Linz werden zwei seiner Stücke gezeigt, die gegensätzlicher nicht sein könnten.
Fall, 2015 mit dem Ballet Vlaanderen uraufgeführt, visualisiert menschliche Themen, wie Aufstieg und Fall, aber auch den ewigen Kreislauf der Natur. Es ist ein Kunstwerk, das mit der faszinierenden Musik Arvo Pärts eine packende Wirkung entfaltet. Das Werk verwendet die klassische Formensprache, es wurde bei der Uraufführung auf Spitze getanzt. In Linz wird auf Spitzentanz verzichtet, es ist eine sehr schwierige Choreografie, die von den Tänzern viel Kraft erfordert.
Orbo Novo, 2009 ursprünglich für das Cedar Lake Contemporary Ballet geschaffen, basiert auf „My Stroke of Insight“ der Neurowissenschaftlerin Jill Bolte Taylors, in dem sie die Erfahrungen nach einem Schlaganfall schildert. Das Stück lotet Grenzen aus, die um und in uns existieren. Es vereint Sprache und Tanz in zeitgenössischer Choreografie. Die Musik stammt vom polnischen Komponisten Szymon Brzóska, einem langjährigen künstlerischen Wegbegleiter Cherkaouis, der Teile der Partitur für Linz neu komponiert hat.
Die Tanzsequenzen, von einem Großteil der Mitglieder von TANZ LINZ dargeboten, vermittelten eindrucksvoll, was Roma Janus eingangs zu den Werken geschildert hatte.
Bei Fall überraschten die Tänzer das Publikum mit klassischen Ballettfiguren auf höchstem Niveau, Hebefiguren, innige, fließende Duette, ausgeführt mit atemberaubender Körperbeherrschung. Die manchmal gestellte Frage, ob die Linzer Tänzer klassisches Ballett beherrschen, wurde hiermit eindeutig beantwortet!
Dann der Kontrast, Textszene aus Orbo Novo! Zunächst einzelne Tänzer, dann alle im Chor vermitteln verbale Botschaften, basierend auf einem Vortrag von Jill Bolte Taylors. Die Tänzer beginnen sich unabhängig voneinander zu bewegen, es werden nur kurze Blicke gewechselt. Im folgenden Teil werden die Tänzerinnen von den Tänzern gestoßen, getreten und fügen sich scheinbar willenlos. Die Sequenz heißt Manipulation!
Danach bat Roma Janus Acacia Schachte und Marc Reibel zum Gespräch.
Acacia Schachte, Tanzkünstlerin mit einer Leidenschaft für Performance, Kreation und Unterricht, fühlt sich Sidi Larbi Cherkaoui auf spiritueller Ebene verbunden und arbeitet schon lange mit ihm zusammen. Wenn Sidi Larbi Cherkaoui bei Proben nicht anwesend sein kann, studiert sie in enger Abstimmung mit ihm die Stücke ein. Sie würdigte TANZ LINZ als offen und kreativ und ist mit dem Ergebnis der gemeinsamen Arbeit sehr glücklich.
Der musikalische Leiter Marc Reibel erläuterte die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Stücke aus musikalischer Sicht. Gemeinsam ist die Orchesterbesetzung, die nur aus Streichern besteht. Dazu kommen bei Arvo Pärt noch Schlagzeug und Klavier. Gewohnt anschaulich erklärte Marc Reibel die Bedeutung von „Spiegel im Spiegel“ wo die Note A „umkreist“ wird, vergleichbar mit einem X, das gespiegelt dieselbe Form aufweist.
Orbo Novo umfasst 14 kürzere, sehr unterschiedliche Stücke, deren Titel in der Musik erkennbar sind. Auch musikalisch ein ambitioniertes, herausforderndes Projekt.
Roma Janus gab noch einen kurzen Einblick in die Ausstattung. Fall prägen pastellfarbene Kostüme und Lichteffekte, bei Orbo Novo dominiert eine Metallkonstruktion die Bühne, ein Käfig, der Grenzen symbolisiert. Die Kostüme sind vom 19. Jahrhundert inspiriert.
Dieses SonntagsFoyer bewies, dass die Linzer Tanzsparte auf dem besten Weg zu internationalem Ansehen ist!
Ulrike Skopec-Basta
Fotograf: Fleckenstein
SonntagsFoyer
109. SonntagsFoyer – Der fliegende Holländer
„Seemannsgarn und Havarien“ war der Untertitel des SF am 12.1.2025, in welchem die Neuproduktion von Richard Wagners „Der fliegende Holländer“ vorgestellt wurde. Nach Schilderung der Handlung widmete sich Musiktheaterdramaturg Martin Schönbauer der Entstehungsgeschichte. Der Ursprung Read more…