Am 2. Dezember 2024 luden die Freunde des Linzer Musiktheaters wieder zu einer vorweihnachtlichen Feier „In adventu domini“, diesmal unter dem Motto „Sterntaler“. Zu Beginn brachte Andreas Lebeda das Märchen in Erinnerung. Ein armes Mädchen verschenkt zuerst sein Brot und dann nach und nach seine Kleidungsstücke an andere Bedürftige. Als es nichts mehr hat, fallen Taler vom Himmel, und es ist reich bis an sein Lebensende. Die von uns besuchte besinnliche Veranstaltung in der Ursulinenkirche widmete sich allerdings nicht dem Verschenken von Gegenständen, sondern dem Vertrauen auf Gott, dem Umgang mit dem Tod, dem „Loslassen“ und dem Abschied nehmen von einem geliebten Menschen. Auch in musikalischer Hinsicht begegneten wir unterschiedlichen Welten. Wir hörten zeitgenössische Klänge von Rudolf Jungwirth nach Texten von Karin Peschka, die aus ihren Werken vortrug, und ganz klassische „alte“ Musik von Johann Sebastian Bach aus dem „Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach“. Antonia Ortner beeindruckte nicht nur mit ihrem stimmungsvollen Gesang, sondern auch mit bewundernswerter Textklarheit, die in diesem Fall besonders wichtig war. Wir hörten zuerst die Lieder „Schaff´s mit mir, Gott, nach deinem Willen“ BWV 514, „Warum betrübst du dich“ BWV 516, „Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen“ BWV 517 und die „Aria di Giovannini – „Willst du dein Herz mir schenken“ BWV 518.

Danach folgte Musik des 1955 in Linz geborenen, bereits international gefeierten und mit Preisen ausgezeichneten Komponisten Rudolf Jungwirth. Als Lehrer für Tonsatz, Ensemblespiel und Improvisation wirkt er seit 1984 an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz. Zusätzlich zu seiner internationalen Konzerttätigkeit als Organist uns Cembalist sowie der kontinuierlichen Arbeit mit mehreren Chören widmet er sich seit 1995 verstärkt dem Komponieren. Die oberösterreichische Autorin Karin Peschka, die unter anderem für das Theaterspectacel Wilhering 2024 das Stück „Bruckners Affe“ geschrieben hat und ebenfalls schon mit mehreren Preisen bedacht wurde, las aus ihrem Werk „ab- und angesang“. Sie beschreibt darin das Heranschleichen des Todes, aber auch die Arbeit, die der Mensch während seines Lebens verrichtet, und das „sich finden“ der Kunst.

Weiter ging es aus dem Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach mit dem Präludium C-Dur, BWV 846/1, dem Lied „Gib dich zufrieden und sei stille“, BWV 511, dem Choral „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ BWV 691, dem Lied „Bist du bei mir (Gottfried Heinrich Stölzel)“ und Aria (Goldberg), BWV 988/1. In berührender Weise vermittelte uns Antonia Ortner mit ihrem Gesang die Todesahnung, ja geradezu Todessehnsucht eines kranken Menschen, seine Bereitschaft, in eine andere Welt einzugehen, und den Wunsch, dabei nicht alleine sein zu müssen „Bist du bei mir, geh ich mit Freuden zum Sterben und zu meiner Ruh. Ach, wie vergnügt wär so mein Ende, es drückten deine schönen Hände mir die getreuen Augen zu“.

Anschließend hörten wir wieder Musik von Rudolf Jungwirth und den titelgebenden Text „Sterntaler“ von Karin Peschka. Die Autorin schildert darin in Ich-Form die Angst vor dem Tod eines geliebten Menschen, dem man hilflos gegenübersteht. Sie sieht den geliebten Menschen noch einmal, aber zwischen ihm und ihr ist eine Mauer. Sie sieht ihn, spürt ihn als wäre er beides, bei ihr und ohne sie in einer fernen Welt Sie fühlt sich alleine, weiß nicht mehr weiter und macht sogar wütend den Verstorbenen verantwortlich für sein Scheiden aus dem Leben (Wie wenig muss ich dir bedeutet haben, dass du so gehen konntest). Man spürt aber auch die Trauer der Hinterbliebenen, beim Sterben nicht dabei gewesen zu sein, nicht Abschied nehmen zu können („Mir wurde nicht nur dein Leben genommen, sondern auch dein Tod“). Am Ende des Textes steht der Tod wieder vor ihr mit einer Geste, die sie nicht begreifen kann,  und sie fragt: „Und wer weiß, wohin du dich tragen lässt nach dieser Wandlung, dieser Metamorphose. Vielleicht in eine Ewigkeit, die das, was du dann sein wirst, wandelt in tausende Sterntaler, die herabfallen zu dem Kind, dem nichts geblieben war als ein dünnes Hemd. Und das lachend tanzt in diesem dunklen Wald, sich drehend in einem Regen aus funkelndem Gold.“

Andreas Lebeda zeigte an diesem Abend wieder einmal sein umfangreiches und vielseitiges Können. Am Clavichord bewies er, wie leise ein Ton klingen kann und wie anstrengend, ja geradezu herausfordernd es sein kann, der kaum hörbaren Musik zu folgen. Als Baritonsänger wiederum zeigte er temperamentvoll und ausdrucksstark das Ringen mit dem Tod. Man konnte Peschkas Texte geradezu „spüren“ und miterleben. Unterstützt wurde er dabei mitreißend und packend von Ludmilla Beladzed am Tenorhackbrett und Andrej Serkov mit seiner zarten, einfühlsamen und zu Herzen gehenden Begleitung am Akkordeon.
Irene Jodl
Fotos: Fleckenstein

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