Anlässlich der Neuinszenierung von Puccinis beliebter Oper Madama Butterfly befasste sich beim SF am 24.11.2024 Moderatorin und Dramaturgin Anna-Maria Jurisch mit den gegensätzlichen Liebeswelten der japanischen Geisha Cio-Cio-San und dem amerikanischen Marineleutnant Pinkerton und gab einen Einblick in Entstehungsgeschichte und Inhalt des Werkes.
Puccini kam mit diesem Stoff erstmals im Jahre 1900 in Berührung, als er im Londoner Theater David Belascos Tragödie Madame Butterfly besuchte. Ein Jahr später erhielt er eine Übersetzung von John Luther Longs gleichnamigem Stück, auf dem das Libretto von Luigi Illica basiert. Für die japanische Wirtschaft und Kultur war es nichts Besonders, dass der Hafen Nagasaki, wo die Oper spielt, von ausländischen Handelsschiffen – mitunter verbunden mit einem Missionsstreben – angesteuert wurde. Die fremden Kaufleute schätzten die einfachen und treuen japanischen Mädchen. Eine Ehe war keine Seltenheit, doch fand kaum eine Begegnung auf Augenhöhe statt. Angesichts einer vermeintlichen Überlegenheit der Amerikaner gegenüber der als unterentwickelt empfundenen japanischen Kultur wurden die Mädchen unter dem Deckmantel „Ehe“ zur Prostitution veranlasst und Opfer ihrer eigenen, nicht erfüllten Wünsche. So war es auch bei Cio-Cio San, genannt Madama Butterfly, und Benjamin Franklin Pinkerton, einem Leutnant in der Marine der USA. War es für Butterfly die große Liebe, für die sie sogar ihren Glauben aufgegeben hatte, war es für Pinkerton nur eine „vorübergehende Ehe“, die jederzeit beendet werden konnte.
Nach dem Duett von Joanna Zawatko und Carlos Cardoso erläuterte Patrick Lange, der musikalische Leiter der Produktion, die Besonderheiten der Komposition, die auch in musikalischer Hinsicht von dem Gegensatz zwischen amerikanischer und japanischer Kultur geprägt ist. Puccini bemühte sich intensiv, eine japanische Klangfarbe zu erreichen und studierte dafür eingehend japanische Lieder und die spezifischen Glocken und Tamtams. Besonders auffällig wird der Gegensatz schließlich bei Ertönen der amerikanischen Hymne. Puccinis Werk beeindruckt nicht nur durch eine berührende Harmonik, sondern auch durch detaillierte Beschreibungen, die zwar spannend sind, aber manchmal auch Schwierigkeiten bereiten können.
Nach der ergreifenden Arie „Un bel di“, in der Cio-Cio-San den Tag der Rückkehr ihres inzwischen wieder nach Amerika abgereisten Mannes herbeisehnte, erläuterte Jurisch Schicksal und Befindlichkeit der nunmehr einsamen und quasi verstoßenen, aber immer hoffenden Geisha. Erschöpfung, Vakuum und eine Gratwanderung zwischen dem japanischen Alltag mit dem inzwischen zur Welt gebrachten Sohn einerseits und dem Bemühen „amerikanisch“ zu sein andererseits, prägten die drei Jahre des Wartens auf Pinkerton. Er aber kam nicht alleine, sondern mit seiner amerikanischen Frau Kate, um den Sohn abzuholen und ihm in Amerika eine gesicherte Zukunft zu ermöglichen. Butterfly beging Selbstmord.
Das Team der Ausstattung, vertreten durch Isabel Ostermann (Inszenierung), Sabine Mader (Bühne), Julia Burkhardt (Kostüme) und Carolin Röckelein (Video) erläuterte die szenische Umsetzung des Werkes. Ihnen geht es vor allem darum, eine Fläche zu schaffen, die den Ort des Geschehens offen lässt, denn Fremdheit und Fremdfühlen sind keineswegs eine japanische Besonderheit, sondern auch anderswo gültig. Den musikalischen Ausklang gestaltete Carlos Cardoso mit Pinkertons Arie „Addio fiorito asil“. Am Klavier wurden die Interpreten jedes Mal von Studienleiterin Jini Ka begleitet.
Irene Jodl
Fotograf: Fleckenstein