Das SF am 29.9. – moderiert vom Leitenden Musiktheaterdramaturgen Christoph Blitt – widmete sich der Operette „Paganini“, mit der Franz Lehar dem virtuosen Künstler ein Denkmal setzte. Wer kennt nicht den italienischen Geigenvirtuosen, der allerdings nicht nur auf seinem Musikinstrument, sondern auch bei Frauen großen Erfolg hatte? Anna Elisa, die nicht sehr glücklich verheiratete Fürstin von Lucca und Schwester Napoleons, hört Paganinis Geigenspiel und ist sofort überwältigt von diesem Klang. Die daran anschließende Affäre endet jedoch mit einem Abschied der beiden voneinander. Anna Elisa verfügte über gute Bildung und war eine zielstrebige Herrscherin, jedoch wegen ihrer dominanten Art nicht beliebt und versank in politischer Bedeutungslosigkeit. Über Paganinis Leben, seine überwältigenden künstlerischen Fähigkeiten und sein gewinnendes Auftreten in der Gesellschaft gibt es zahlreiche Legenden, deren Wahrheitsgehalt nie ermittelt werden kann und wohl auch keine Rolle spielt. Paganinis musikalisch-technische Fähigkeiten waren phänomenal, doch hatte er auch mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Zuletzt verlor er seine Stimme und starb, ohne vorher eine Beichte ablegen zu können, worauf ihm die katholische Kirche ein christliches Begräbnis verweigerte. Es dauerte lange, bis sein Leichnam beigesetzt wurde.

Mit Paganini begann für Lehar eine neue Schaffensperiode, in der anders als vorher die Operetten nicht mit einem happy end gekrönt waren. Mit Paganini ist auch der Name des in Linz geborenen Sängers Richard Tauber eng verbunden. Ihm hatte Lehar einige Operettenrollen geradezu auf den Leib geschnitten. Bei der Uraufführung im Oktober 1925 im Johann Strauß-Theater in Wien musste allerdings krankheitsbedingt der Tenor Carl Clewing einspringen. Erst in der deutschen Premiere in Berlin war Richard Tauber in der Titelpartie zu erleben.

Nach zwei musikalischen Leckerbissen, dargebracht von Carina Tybjerg Madsen und Matjaž Stopinšek (Walzerlied der Anna Elisa „Ich kann es nicht fassen – Liebe, du Himmel auf Erden“ und Duett „Was ich denke, was ich fühle“) bat Christoph Blitt, den für die Inszenierung verantwortlichen Regisseur Thomas Enzinger und den musikalischen Leiter Marc Reibel, der beim SF auch die Interpreten am Klavier begleitete, auf die Bühne. Enzinger will Paganini nicht nur als faszinierenden Künstler präsentieren, sondern vielmehr die Vielschichtigkeit seines Lebens und der Legenden betonen. Paganini war auch ein guter Vater und litt an den Gerüchten, die über ihn verbreitet wurden. In der Figur des „alten Paganini“ (Künstlerleben) wird den Aufführungen ein spannender Zugang und Rahmen gegeben. Durch gezielten Einsatz von Scheinwerferlicht soll der Superstar Paganini hervorgehoben werden. Verstärkt wird die Vielschichtigkeit durch das Ballett, das Paganinis Leben geradezu spiegelt. Der Tanz verstärkt den „Kleinen Paganini“ und zeigt das Kind in dem oft kränklichen Künstler.

Reibel erläuterte eindrucksvoll und anschaulich anhand musikalischer Beispiele am Klavier die Stellung der Operette „Paganini“ als Werk des Überganges. Einfache Lieder und ein grandioser Schluss bewirken Sensibilität. Der Tenor steht meist alleine auf der Bühne, sodass die Gesangsstücke auch einzeln aufgeführt werden können. Andererseits findet man fast wie bei Richard Wagner immer wiederkehrende Motive wie etwa eine Fanfare, die die Hofgesellschaft präsentiert, eine Tarantella, die das Italienische betont, und Mandolinen, die das klangliche Kolorit verstärken. Auch eine Inspiration durch Werke anderer Komponisten ist zu erkennen. Reibel führte als Beispiele unter anderem Tosca und Carmen an. Was die Texte anlangt, kann man auch hier manchmal die Frage nach einem zeitgemäßen Umgang mit verschiedenen Themen stellen. Aber sollen wir Matjaž Stopinšek, der mit Paganinis Geständnis „Gern hab´ ich die Frau´n geküsst“ den musikalischen Ausklang des SF gestaltete, böse sein?  

Irene Jodl
Fotograf: Fleckenstein / PR

Fotos 106. SF