Spielplanbezogen war die Musiktheaterreise nach Lyon von 27.-31.3.2017. Über Anregung von Intendant Hermann Schneider sahen wir dort eine Wiederaufnahme der legendären Bayreuther Heiner Müller Inszenierung von Tristan und Isolde, eine Koproduktion von Linz und Lyon, die in der Spielzeit 2018/19 im Linzer Musiktheater aufgeführt wird. Als Einstimmung auf diese interessante Reise gestaltete der nunmehrige Linzer Schauspieldirektor Stephan Suschke am 14.2.2017 in Linz eine Einführung zu dieser Inszenierung. In einer Video-Collage über die Bayreuther Aufführung von 1993 sahen wir Szenen mit Siegfried Jerusalem als Tristan und Waldtraud Meier als Isolde. Besonders informativ waren vor allem die Interviews mit dem leider inzwischen verstorbenen ostdeutschen Schriftsteller und Regisseur Heiner Müller. Stephan Suschke war damals als Mitarbeiter von Heiner Müller an der Bayreuther Inszenierung wesentlich beteiligt und betreut nunmehr auch deren Wiederaufnahme in Lyon und Linz.
Somit bestens vorbereitet und entsprechend neugierig traten wir am 27.3. die Reise nach Lyon per Bus und anschließendem Flug an. Tags darauf wurden wir bei einem deutschsprachig geführten Stadtrundgang mit Geschichte und Sehenswürdigkeiten der für Seidenweberei und Buchdruck bekannten Handelsstadt Lyon vertraut gemacht, ehe wir am Abend erwartungsvoll die Tristan-Vorstellung besuchten. Heiner Müllers Inszenierung besticht vor allem durch die Konzentration auf die Figuren in ihrem durch Starrheit, Isolation, Wut und Trauer bestimmten Seelenleben, ohne jegliche Anspielung auf die Gegenwart.
Das Bayreuther und nunmehr originalgetreu nachgebildete Bühnenbild entwarf Erich Wonder, für die Kostüme zeichnet der japanische Modeschöpfer Yohji Yamamoto verantwortlich. Erich Wonder entwarf für alle drei Aufzüge einen Kubus, in dem die Sänger ohne Bezug zur Außenwelt agieren. Im ersten Aufzug wurde das Meer nur durch zwei seitlich verlaufende bewegliche Lichtstreifen symbolisiert. Im zweiten Aufzug befanden sich Tristan und Isolde geradezu gefangen in einem Labyrinth von Brustpanzern, ehe sie im dritten Aufzug in einem heruntergekommenen, staubigen, steingrauen Raum dem Ende entgegen gingen. Yamamoto ließ die Figuren zu Beginn mit großen metallen glänzenden Kragengestängen auftreten, was gesellschaftlichen Zwang und höfisches Zeremoniell andeuteten könnte, die sie jedoch im Laufe der Oper wieder ablegten (Liebestrank). Fulminant jedenfalls die Schlussszene, Isoldes Liebestod, Isolde in goldglänzendem Gewand und hellem Bühnenraum stehend, bis sich schließlich der Vorhang senkte und der kaum enden wollende Applaus der mit Recht jubelnden Zuschauer ausbrach.
Am 29.3. unternahmen wir einen Tagesausflug nach Pérouges, einem kleinen etwa 30 Kilometer nordöstlich von Lyon gelegenen Ort, der wegen seiner mittelalterlichen Straßen und Häuser, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts sorgfältig restauriert wurden, zu den schönsten Dörfern Frankreichs zählt. In den alten Restaurants mit den gemütlichen Gastgärten konnten wir uns auch von den kulinarischen Besonderheiten der Region überzeugen lassen.
Tags darauf gestaltete Robert Körner, directeur de la production artistique, für uns eine (selbstverständlich deutschsprachige) Führung durch das Opernhaus, das 1989 unter Leitung von Jean Nouvel – abgesehen von der erhalten gebliebenen Fassade – komplett umgebaut und neu gestaltet wurde. Der große Saal ist zur Gänze in Schwarz ohne jegliche Ausschmückung gehalten, zumal sich die Zuschauer ausschließlich auf das Bühnengeschehen konzentrieren sollen. Auf 6 Rängen finden insgesamt 1.170 Besucher Platz. Um flexibel agieren zu können, verfügt die Oper über kein fixes Ensemble, sondern schließt mit den Sängern jeweils Stückverträge ab.
Am Abend besuchten wir die Oper Elektra von Richard Strauss in der Dresdener Ruth Berghaus-Inszenierung des Jahres 1986. Da das über 100 Musiker umfassende Strauss-Ensemble nicht im Orchestergraben untergebracht werden konnte, platzierte sie es – ursprünglich nur als Notlösung gedacht – auf der Bühne. So auch in Lyon. Hinter dem Orchester wurde ein riesiger weißer Betonturm mit verschiedenen Spielebenen aufgebaut, auf denen die Sänger agierten. Bei den Zuschauern fand diese Lösung wegen der mitunter insbesondere von den vorderen Sitzplätzen aus eingeschränkten Sicht auf das Bühnengeschehen nicht volle Begeisterung. Großen Jubel gab es hingegen für die Sänger, die ihre Rolle mit Bravour bewältigten und das Orchester, beide Male unter der musikalischen Leitung des Bayreuth-erfahrenen Hartmut Haenchen.
Die zwischen den Programmpunkten verbleibende Zeit nutzen wir für einen Bummel durch die verschiedenen Stadtviertel, der vieux Lyon (Altstadt) bis zur confluence, dem Zusammenfluss von Rhone und Saône mit Wohn- und Geschäftsbauten eher jüngeren Datums. Natürlich durfte auch ein Besuch des musée des confluences nicht fehlen. Dieses außergewöhnliche Bauwerk zwischen „Himmel und Erde“ wurde von der österreichischen Architektengruppe coop Himmelb(l)au entworfen und besteht aus drei unterschiedlichen architektonischen Einheiten. Auf dem aus Beton hergestellten Sockel ruhen der gläserne „Kristall“ (Eingangsbereich und Ort der Begegnung) und die „Wolke“ mit den Ausstellungsräumen, dem Restaurant und der Verwaltung. Das Museum ist mit Schwerpunkt Naturwissenschaften ausgerichtet und zeigt, wie sich die verschiedenen Kulturen mit den verschiedenen Fragen des Lebens beginnend mit der Entstehung der Erde bis zum Tod und dem Leben danach auseinandersetzen und kann demgemäß auch als „Zusammenfluss des Wissens“ verstanden werden. Besonders sehenswert auch die Reste des gallisch-römischen Freilufttheaters auf dem Hügel Fourvière unweit der wunderschönen Basilika. Eindrucksvoll auch die anderen Sehenswürdigkeiten wie Kirchen, Museen, alte Häuser mit Wandmalerei und vieles mehr. Nach einer abschließenden Bootsfahrt auf der Saône, mussten wir schließlich am 31.3. wieder unsere Heimreise antreten.
Unser Dank gilt Intendant Hermann Schneider, Schauspieldirektor Stephan Suschke, unserem bewährten Reiseleiter Richard Architektonidis und dem Organisationsteam der Musiktheaterfreunde für diese gelungene Reise, an die wir uns sicher noch lange und gerne erinnern werden.
Irene Jodl
Fotograf: Walterstorfer, Skopec-Basta, Rieder
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