„Eine Uraufführung ist so etwas wie der Gipfel der Erotik im Bereich Theater“ beschrieb Katharina John den Besuchern des 57. SonntagsFoyers am 17.3.2019 die aufregende Stimmung vor der Premiere des Tanzstücks „Marie Antoinette“ von Tanzdirektorin Mei Hong Lin nach der Musik von Walter Haupt und gab mit einer illustren Runde Einblick in Hintergründe und Entstehungsgeschichte des Werks.

Marie Antoinette, geboren als Maria Antonia, 15. Kind der österreichischen Kaiserin Maria Theresia genoss eine vergleichsweise sorglose Jugend bis ihre Mutter beschloss, ihre jüngste Tochter mit dem französischen Thronfolger Louis Auguste, dem späteren Ludwig XVI. zu verheiraten, um die Erzfeindschaft mit Frankreich zu beenden. Die prunkvolle Hochzeit in Versailles, die ständige Beobachtung und der öffentliche Druck überforderten die beiden blutjungen Menschen. Der erste Ausschnitt zeigte die Hochzeitsnacht des Paares mit Núria Gímenez Villarroya als Marie Antoinette und Edward Nunes als Ludwig mit beeindruckenden Szenen von zaghafter Annäherung und ängstlichem Schaudern.

„Warum gerade Marie Antoinette?“ wurde Mei Hong Lin gefragt und begründete ihre Wahl mit ihrem Interesse an dem Land, wo sie gerade ist, an dessen Geschichte und seinen Persönlichkeiten. Wie immer geht es Mei Hong Lin nicht um die Darstellung von Ereignissen, sondern um die Psyche von Personen, ein Hineinversetzen in die Situation. 3 verschiedene Tänzerinnen bzw. Tänzer verkörpern Marie Antoinette und Ludwig in 3 verschiedenen Stadien von der Jugend bis zum reifen Königspaar.

Der 2. Ausschnitt zeigte die Unterstützung durch den Bruder (Hodei Iriarte Kaperotxipi als Josef II.) und der Vertrauten (Tura Gómez Coll als Prinzessin von Lamballe). Kayla May Corbin und Valerio Iurato tanzten das Königspaar, das unter dem psychischen Druck der noch immer nicht vollzogenen Ehe leidet.

Wie schon im ersten Szenenausschnitt imponierte die Musik, die nicht nur die jeweilige Stimmung vermittelt, sondern auch mit den Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer zu einer eindrucksvollen Einheit verschmilzt. Der Komponist ist kein Geringerer als Walter Haupt, in Linz und über die Grenzen hinaus als Begründer der Klangwolke bekannt. Doch ihn nur darüber zu definieren, ist zu kurz gegriffen, er ist Komponist, Dirigent, Regisseur, Klangarchitekt und weltweit führend in Sachen Open Air Theater. In kurzweiliger Art schilderte er Stationen seines Werdegangs, von der Entscheidung Theater statt Altar, über die frühen Versuche mit Musik im freien Raum und die Erfahrungen der ersten Linzer Klangwolke bis hin zur heute weltweit gängigen Praxis Musik für alle.

Walter Haupt betonte die großartige Zusammenarbeit mit Mei Hong Lin. Seine anfänglichen Befürchtungen, was sie aus seiner Musik machen und ob die Komposition ihren Ansprüchen genügen würde, erwiesen sich rasch als unbegründet.

Harmonisch und erfolgreich gestaltete sich auch die Zusammenarbeit zwischen dem Komponisten Walter Haupt und dem musikalischen Leiter der Produktion, Marc Reibel. Er nannte die Situation, in Anwesenheit des Komponisten proben zu können, traumhaft, so blieben keine Fragen offen, die Wiedergabe wird total werktreu erfolgen.

In weiteren Ausschnitten erlebten die Besucher ein hingebungsvolles Liebespaar (Kayla May Corbin als Marie Antoinette und Yu Teng Huan als ihren Liebhaber Hans Axel Graf von Fersen) und das reife, sein Schicksal ahnende Königspaar (Andressa Miyazato und Jonatan Salgado Romero).

Danach stellte der Ausstatter Dirk Hofacker sein Konzept für Bühne und Kostüme vor. Den Rahmen bildet eine Art Amphitheater. Versailles, ein goldener Käfig in geformter Natur, wird mit vergoldeten Blattgehäusen und dem großen Symbol von Versailles, der Sonne, visualisiert. Die Drehbühne als Element der pompösen Ausstattung stellte die Tanzkompanie bei den Proben im Ballettsaal vor große Herausforderungen, konnte sie dort doch nur in der Vorstellungskraft der Tänzer existieren. Bei den Kostümen mit Stilanleihen beim Rokoko dominiert eine starke Formensprache, die auch den jeweiligen Gemütszustand symbolisiert.

Im letzten Ausschnitt zog an Marie Antoinette (Andressa Miyazato) im Angesicht des Todes das Leben wie in einem Film vorbei. Núria Gímenez Villarroya als junge Prinzessin und Kayla May Corbin als Marie Antoinette im Strom der Revolution machten diese Vorstellung bildhaft, dazu vermittelte die Musik eindrucksvoll die drohende Stimmung der bevorstehenden Hinrichtung.

Mit diesen ersten Impressionen und der Fülle an gebotenen Informationen wurde den Besuchern eine außergewöhnliche Tanzproduktion nähergebracht, für deren Uraufführung wir allen Beteiligten viel Erfolg wünschen.

Ulrike Skopec-Basta
Fotograf: Fleckenstein