Artikelserie Intendant Rainer Mennicken

Die Eröffnung des Musiktheaters 

Thema: Zukunft des Vereins 

Die Vorfreude wächst Oktober 2010

Chancen, Februar 2008 

Zukunft, Jänner 2008

Auf neuen Wegen, November 2007 


Die Eröffnung des Musiktheaters

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Thema: Zukunft des Vereins



Die Vorfreude wächst
ein Zwischenbericht

Mit jedem Fortschritt an der Baustelle des neuen Hauses werden die Qualitäten des Entwurfs und der Planung deutlicher. Schon zeichnet sich die lässige Großzügigkeit der Innenraumgestaltung ab. Schon sieht man die konzentrierenden, eleganten und komfortablen Proportionen des Zuschauerraums, dessen zwei Besucherränge seit ein paar Wochen begehbar sind. Das noch unverglaste Foyer lässt bereits auf drei Etagen den weiten Blick auf den Volksgarten und das urbane Umfeld zu - und dabei stellt sich die Erinnerung ein, dass Architekt Terry Pawson seinen Entwurf mit der Aussage vorstellte, er wolle den Oberösterreichern einen attraktiven living room einrichten, ein kulturelles Wohnzimmer, in dem man sich entspannt aufhalten, die Umgebung genießen, Musik und Theater erleben kann...

Planungsarbeit 

Nun, die Vorfreude darf nach den jüngsten Entscheidungen zum Eröffnungstermin noch ein wenig weiter wachsen. Im Grunde haben wir ja alle gestaunt, dass anderthalb Jahre lang alles exakt im Zeitplan lief. Skeptiker wussten schon immer, dass ein Bauprojekt dieser Größenordnung im Einzelnen nicht vorhersehbare Hindernisse zu überwinden hat. Die Theaterleitung allerdings war gehalten, sich auf die Eröffnung im Herbst 2012 vorzubereiten - was wir mit Lust und Emsigkeit betrieben haben... Bis es zu terminlichen Unwägbarkeiten kam, die aus dem beeinspruchten Vergabepaket der Fensterarbeiten für das neue Haus entstanden. 

Im September purzelten dann unsere Programmbausteine auseinander und wurden in Windeseile neu zusammengefügt, damit im Zuge der Bekanntgabe des neuen Eröffnungstermins (Mitte April 2013) ein Ausblick gegeben werden konnte, der in etwa deutlich macht, wie sich die künstlerisch Verantwortlichen die Programmentwicklung am Landestheater vorstellen. 

Seit einigen Monaten hatten nämlich Medienvertreter und externe Kulturarbeiter in aller Öffentlichkeit damit begonnen, Fragen nach den Ge-schicken des Theaters und des Brucknerfests zu stellen sowie Vorschläge für strukturelle Maßnahmen in der Musiklandschaft einzuwerfen. Dessen ungeachtet findet selbstverständlich seit dem Beschluss zur Errichtung des neuen Hauses vor bald fünf Jahren fortlaufend konkrete Planungs- und Entwicklungsarbeit der Theater-, Orchester- und Verwaltungsleitung statt, die längst handfeste Ergebnisse hat. 


Drei glückliche "Bauherren": Dr. Thomas Königstorfer, Dennis Russell Davies und Rainer Mennicken. Foto: Reinhard Winkler 

Es liegt zum Beispiel eine rund hundertseitige Studie zur personellen und budgetären Zukunft vor, die in zwischen vom Landesrechnungshof mit dem Siegel Empfehlenswert bedacht wurde. Es gibt klare Nutzungsvorstellungen für die Landestheaterspielstätten nach Eröffnung des neuen Hauses bzw. Sanierung des Großen Hauses an der Prome-nade. Es gibt Spielplanentwürfe und Entscheidungen, die bis in das Jahr 2015 reichen, denn wer - um die Worte des Landeshauptmanns zu zitieren - demnächst in der champions league der Kultur agieren will, muss jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen. 

Konsequenz, neue Ideen und ein Ring des Nibelungen 

Aufmerksame Leser des "Linzer Musiktheater" haben bereits vor knapp drei Jahren die Leitlinien wahrgenommen, denen wir folgen wollen. Nach wie vor sind die Stichworte identisch: Erhaltung der Dachmarke Landestheater! Keine Separierung der Sparten, Zusammenarbeit! Inhaltliche Erweiterung des Spielplans! Endlich groß besetzte Werke der Opernliteratur! Mehr Musical und Operette! Mehr Nachwuchs! Mehr Neuigkeiten! Mehr für die Jugend! Mehr Kooperation mit anderen Einrichtungen! 

Wenn wir nun zweieinhalb Jahre vor der tatsächlichen Aufnahme des Spielbetriebs am Volksgarten konkrete Auskünfte über die dortige Spielplangestaltung geben, so sei der Hinweis erlaubt, dass dieser Schritt einigermaßen außergewöhnlich ist. Versuchen Sie einmal herauszubekommen, was an vergleichbaren Häusern in zweieinhalb Jahren auf dem Plan steht! Für den demnächst im Musiktheater entstehenden Ring des Nibelungen existiert eine Termindisposition aller 40 Vorstellungen bis zum Juni 2015. Natürlich werden wir diese Daten ebenfalls veröffentlichen - sobald die Sitze im Zuschauerraum nummeriert sind und unser Kartenservice technisch in der Lage ist, Bestellungen für das neue Haus zu bearbeiten. Festgelegt ist damit, dass die Tetralogie ab Herbst 2013 im Halbjahresrhythmus auf die Bühne gestellt und im Frühjahr 2015 zu mindestens drei Zyklen zusammengefügt wird! 

Die Eröffnungsoper 

Besonders erfreulich aus unserer Sicht: das Zustandekommen eines neuen Opernprojekts mit Philip Glass für die Eröffnungspremiere. Hier ergibt sich auf das Schönste die Verknüpfung mehrerer Qualitäten, die einer Eröffnung des Neubaus gut anstehen. 

Erstens ist die Zusammenarbeit zwischen Philip Glass und Dennis Russell Davies eine internationale, inzwischen auch oberösterreichische Erfolgsgeschichte - denken wir an die gefeierten Produktionen von The voyage, Orphée und Kepler! Zweitens: Das Libretto der jetzt in Auftrag gegebenen Oper Spuren der Verirrten fußt auf einem Theaterstück des in Kärnten gebürtigen Dichters Peter Handke und lässt hier und da durchaus österreichische Wurzeln anklingen - ansonsten verhandelt es nichts weniger als den gegenwärtigen Zustand unserer Gesellschaft, eine Geschichte der Glückssucher auf verlorenen Pfaden. 

Die neue Oper widmet sich also einer zentralen Aufgabe ihres Genres und bearbeitet ein philosophisch aktuelles Thema - in einer Theaterform, die das Brucknerorchester, das Solistenensemble, den Opernchor, die Ballettkompanie und zwei Schauspieler beteiligen wird. Die neue Bühne wird also (und das ist die dritte Besonderheit) von allen Bereichen der musikalischen und darstellenden Künste am Landestheater gemeinsam eingeweiht! Das nächste Thema in diesem Zusammenhang ist die Regiefrage - und da schaut es so aus, als kämen wir zu einer überraschenden Verabredung… 

Eine neue Sparte kommt 

Schon jetzt dürfen wir uns darüber freuen, dass eine vor bald vier Jahren entwickelte Idee ihre Chance bekommt. Mit der Eröffnung des Opernhauses startet eine neue Sparte am Landestheater, die Musi-cal Company. Vielleicht setzt diese Neugründung das stärkste Signal für den Neubeginn. Sieben MusicaldarstellerInnen und ein kleines Leitungsteam werden für drei bis vier Produktionen pro Spielzeit auf den verschiedenen Spielstätten des Landestheaters aktiv sein und sich mit anderen Sparten zusammentun. 


Albert Pesendorfer  als sängerisch und darstellerisch grandioser Hans Sachs in der aktuellen, nicht unumstrittenen Inszenierung der "Meistersinger" am Linzer Landestheater. Foto: Christian Brachwitz 

Unser Programm wird dann einiges mehr an musikalischer Unterhaltung zu bieten haben: klassisches Musical, Tanzmusical, Familienmusical, Kindermusical. 

Unser Konzept rückt das Genre in den Zusammenhang des Ensemblegedankens und bietet sich als Alter-native zum Industriemusical der großen Metropolen an. In Linz zeigt sich seit Jahren, dass es dafür eine immense Nachfrage gibt, die wir künstlerisch engagiert beantworten wollen. Das Linzer Modell ist neu und in seiner Philosophie einzigartig. Leiter der Sparte wird Matthias Davids sein, der sich international einen Namen als Musicalspezialist und Opernregisseur gemacht hat und auch in Linz bereits mit Crazy for you, La Calisto und anderen Arbei-ten erfolgreich war. Schon im Eröffnungsprogramm im April 2013 werden wir die erste Premiere mit Beteiligung des Musicalensembles erleben! 

Gusto-Stücke Die getroffenen Entscheidungen für die unmittelbar folgenden und die in der Spielzeit 2013/14 geplanten Premieren dürften einigen Anlass zu schwelgerischen Erwartungen bieten. Richard Strauss' musikalische Komödie Der Rosenkavalier kommt in einer Wiederaufnahmepremiere als zweite Oper am neuen Standort heraus, gefolgt von Jochen Ulrichs neuer Choreographie zu Sergej Prokofjews Romeo und Julia. Mozarts Zauberflöte eröffnet die Saison im Herbst, gefolgt von dem in dieser Form in Linz bisher unaufführbaren Ballett-Doppel Le sacre du printemps / Der Feuervogel und einer neuen Fledermaus. Wenn da nicht die Herzen der Musik- und Theaterfreunde höher schlagen...


Chancen

In den letzten Wochen ist unser Arbeitsalltag öfter von Neubauplanungssitzungen geprägt als je zuvor. Wir befinden uns in der heißen Phase der Entwurfsabnahme. Die Expertenrunden schwellen an, der Platz im Sitzungszimmer reicht kaum noch aus, die Gespräche werden dichter und länger, hektischer auch, denn allen Beteiligten ist klar, dass jetzt entscheidende Würfel fallen: was in diesen Wochen verabschiedet wird, steht demnächst in Beton gegossen mitten auf der Blumau. Das Theaterbaufieber hat uns erfasst, und es wird vermutlich in den kommenden Monaten steigen.

Chancen für Vielfalt 

Während der Diskussionen brüten die erhitzten Köpfe neue Ideen aus. Immer wieder entfalten wir die großen Planzeichnungen und starren auf die Entwürfe. Wie werden die Ebenen und Winkel des Gebäudes nutzbar sein? Da könnte ein Spiegel eingebaut werden, dort ein Schrank, hier ein zusätzlicher Ruheraum. Und während dieser Betrachtungen steigen die Gedanken an die zukünftige Bespielung des Gebäudes auf - auch jenseits der großen Bühne und des Opernstudios im Basement... 

Die Eingangshalle zu ebener Erde bietet Platz genug für ein geräumiges Tagescafé mit Sonnenterrasse und den Ticket-Service-Bereich. Wie müsste ein zusätzlicher Theatershop konzipiert sein, damit er Interessenten und Käufer anlockt? Neunhundert Quadratmeter offeriert das Hauptfoyer auf der Ebene des ersten Rangs. Ist dort neben dem Pausen-Service an Ausstellungen zu denken? An Sonderveranstaltungen, Bälle, Kongresse, Modenschauen? Wie muss die Veranstaltungs- und Lichttechnik beschaffen sein, um Ereignisse verschiedener Art zu er-möglichen? Gibt es dort eine flexible Bestuhlung? Können wir auch dort Theater spielen? 


Auf diesem Modellfoto des Foyers erkennt man die Großzügigkeit des gesamten Theaterbaus, der vielerlei Chancen zur Nutzung anbietet. Ähnliche Chancen bestehen in den 120-Quadratmeter großen Sälen im zweiten und dritten Rang. Das Foyer entwickelt sich wie ein Fächer und öffnet sich zum Park hin über die mehr als 60 Meter breite, durchgehende Glas-Fassade. Die Rückwand des Foyers zum Zuschauerraum wird quasi zu einer zweiten Außen-Fassade des Gebäudes, das Foyer selbst wird architektonisch ein Teil des Volksgartens sein. Dieses Modellfoto ist ein kleiner Vorgeschmack auf die Information im Rahmen der Generalversammlung am 18. April 2008. Foto: Terry Pawson Architects 

 

Chancen für die Kleinsten 

Ließe sich hier an die kleinste denkbare Musiktheaterform für den Zuschauernachwuchs denken, an die Mini-Oper oder das erzählerische Musiktheater, für die der Studioraum im Grunde zu groß ist? Oder sollten wir einen der 120-Quadratmeter umfassenden Säle im zweiten und dritten Rang dafür vorsehen? Dann wäre auch dort für Scheinwerfer und Verdunkelung zu sorgen. Dem Volksgarten zugewandt zeichnet sich unter dem Dach ein exquisiter Raum für ein Restaurant ab, mit großartigem Panoramablick über die Baumwipfel Richtung City. Terry Pawson spricht gern vom Wohnzimmer der Stadt... 

Ist dort der richtige Ort für die Reihe "Oper am Klavier", die unser Musiktheaterdramaturg Felix Losert schon so erfolgreich am Erfurter Theater gestaltet hat? Oder sollten wir besser an die Lobby des Studios denken, die sich als Treffpunkt für Opernstammtische und Gesprächsveranstaltungen ohnehin aufdrängt? Eins darf als sicher gelten: das geneigte Publikum wird sich vor der Programm-Offensive des Musiktheaters ab 2012 kaum retten können...! 

Chancen für die Promenade 

Die Verlagerung des Musiktheaterbetriebs an die Blumau setzt also eine Menge neuer Perspektiven und Möglichkeiten in Gang. Von den Erweiterungen durch neue Programmideen für die Sparten und Ensembles war schon die Rede: Musical und Operette, Barockoper und Nachwuchsförderung. Aber auch am bisher einzigen Standort des Landestheaters an der Promenade ist Um- und Neudenken erforderlich. Eine Größenordnung von circa 120 Spielterminen im Großen Haus und in den Kammerspielen wird zusätzlich zu programmieren sein. Das gesamte Angebot wird wachsen und bisher zwangsläufig vernachlässigte Bereiche aktivieren können. Denn mit häufigerem Spielen der bisher üblichen Anzahl von Inszenierungen ist es nicht getan. Neue oder unerkannte Interessen müssen aufgespürt und beantwortet werden. Das Landestheater kann sich Aufgaben stellen, die es in noch höherem Maße zum Umschlagplatz kultureller Themen und Energien der Stadt und der Region machen. 

Chancen für Qualität 

Zuvorderst wird das Schauspiel seinen Nutzen aus den neuen Raumverhältnissen an der Promenade ziehen. Im zum 500-Plätze-Theater verwandelten bisherigen Großen Haus, dem neuen Schauspielhaus, in dem endlich die sichtbeschränkten Plätze an den Seiten und im zweiten Rang entfallen, werden demnächst pro Spielzeit etwa zehn Inszenierungen unter Bedingungen möglich, die dem Leistungsstandard des Schauspielensembles weitere Steigerungen ermöglichen. Welches Landestheater-Schauspiel in Österreich verfügt über eine solche Bühne? Hier werden sich größere Formate des klassischen Literaturtheaters, der musikalischen Unterhaltung und der neuen Dramatik abwechseln und Anreize für Künstler und Zuschauer bieten, von denen man bis heute nur träumen kann. Die Arbeitsräume - von den Büros über die Garderoben bis zu den Probebühnen - werden endlich angemessene Dimensionen aufweisen und das Provisorium Eisenhand-Theater wird durch einen neuen Raum im alten Gebäude ersetzt. Das gesamte Gepräge der Schauspielarbeit wird ebenso zum Großstädtischen tendieren wie das des Musiktheaters im neuen Haus. 

Chancen für die Jugend 


Seit etwa einem Jahr erfährt die Landestheater-Programmschiene für die 6- bis 18-jährigen eine Intensivierung, die den Anspruch auf größere Fläche und Infrastruktur unterstreicht. Henry Mason, der neue Leiter des u/hof:-Ensembles, hat zu Beginn der laufenden Spielzeit mit seinem Rock-Pop-CANDIDE eindrucksvoll demonstriert, wie kraftvoll sich seine Sparte auf der Kammerspielbühne behaupten kann (im Bild v. l. n. r. Nora Dirisamer/Pa-quette, Daniela Dett/Cunégonde, Daniel Ruben Rüb/Panglose, Ingrid Höller/Die Alte, Matthias Hacker/Candide, Sven Kaschte/Martin). Foto: Christian Brachwitz 

Weitere Nutznießer der Erweiterung werden die Mitarbeiter und Besucher des Theaters für junge Zuschauer sein. Der u/hof: hat ausgedient, das niedrige, so gemütliche wie beengende Kellergewölbe wird aufgegeben. Das schon lange nach mehr Aktionsfläche lechzende Ensemble (wie soll es künftig heißen, wenn der Ort wechselt?) kann sich endlich austoben - vornehmlich auf der Bühne der Kammerspiele. Die Erfolgsgeschichte des u/hof:' hat schon längst unter Beweis gestellt, dass die gegenwärtigen Kapazitäten nicht ausreichen. Es gibt regelmäßig Wartelisten und Enttäuschungen für hunderte, manchmal tausende von Kindern, die gerne eine der begehrten Aufführungen erleben würden. Seit etwa einem Jahr erfährt die Landestheater-Programmschiene für die 6- bis 18-jährigen obendrein eine Intensivierung, die den Anspruch auf größere Fläche und Infrastruktur unterstreicht. Henry Mason, der neue Leiter des u/hof:-Ensembles, hat zu Beginn der laufenden Spielzeit mit seinem Rock-Pop-CANDIDE eindrucksvoll demonstriert, wie kraftvoll sich seine Sparte auf der Kammerspielbühne behaupten kann. 

Auch die Kinderoper DIE FEUERROTE FRIEDERIKE (Fotos siehe gegenüber liegende Seite) gibt Anlass zu den schönsten Hoffnungen. Bislang 25 ausverkaufte Vorstellungen und kein Ende absehbar. Hier hat der Regisseur Mason gemeinsam mit Kollegen des Musiktheaterensembles und Gästen ein Pilotprojekt geschaffen, das Anlass genug gibt, die Kinderoper künftig als festen Bestandteil des Programms zu planen und damit jungen Menschen den Einstieg in die Welt des Musiktheaters zu ermöglichen. Auch dafür wird es zukünftig mehr Raum geben. 

Chancen für Spielclubs 

Darüber hinaus erhält ein längst schon gefasster Gedanke seine reelle Chance. Das Landestheater unterhält seit Jahren drei, in der laufenden Saison sogar vier Jugend- bzw. Spielclubs mit insgesamt etwa 60 ständig aktiven Amateuren. Vor allem im Eisenhand-Theater wird dies jeweils gegen Spielzeit-Ende sichtbar, wenn die Beteiligten die Ergebnisse ihrer monatelangen Gespräche und Proben präsentieren. Was zunächst als Entdeckungsreise zu den Möglichkeiten des Spielens, der Interaktion und der gemeinsamen Verantwortung für ein Gruppenprodukt erlebt wird, erfährt seinen Abschluss in der Aufführung vor Publikum. 

Die neue Gebäudesituation wird diesem Bereich endgültig den Stellenwert gewährleisten, der ihm eigentlich zukommt: wir werden in den nächsten Jahren damit beginnen, die Arbeit zu professionalisieren und ihr Voraussetzungen einräumen, die sie zum Bestandteil der regulären Stückeproduktion macht: letzten Endes soll es Jahr für Jahr mindestens eine Spielclub-Inszenierung geben, die unter den gleichen Bedingungen entsteht wie eine reguläre Schauspiel-Produktion (Ausstattung, Technik, Vorstellungsbetrieb) - und damit ein größeres Publikum anspricht. Henry Mason schlägt sogar ein Ausbildungsprogramm für besondere Talente bzw. angehende Jugendtheaterschauspieler vor, das (analog zum Opernstudio-Stipendienprogramm für junge Sänger und ebenso in Kooperation mit der Anton Bruckner Universität) den Künstlernachwuchs für diese Sparte qualifizieren könnte... 

Chancen für die Region 

In Oberösterreich gibt es eine lebendige und engagierte Amateurtheaterszene. Sie hat ihre Wurzeln in den ländlichen Bereichen ebenso wie in den größeren Städten und ist Ausdruck und Spiegel der Lust am darstellenden Spiel und des Interesses an brisanten Themen, die auf der Bühne ihre Dringlichkeit eindrucksvoll vermitteln. An die dreihundert Spielensembles werden vom Verband Amateurtheater Oberösterreich gezählt, die mehr oder weniger regelmäßig Inszenierungen herausbringen und spielen. Dabei wird ein gewaltiges Programm-Spektrum vom Lustspielklassiker über das Volksstück und das kritische Zeitstück bis zum Kabarett sichtbar. Festivals des außerberuflichen Theaters und Weiterbildungskurse ergänzen das Bild. 

Mit der Erweiterung der Raum- und Zeitkapazitäten an der Promenade verbindet sich auch die Idee, dem Volkstheater im Rahmen des Landestheaterspielplans eine eigene Plattform zu geben. Es wäre beispielsweise denkbar, demnächst einem der bereits bestehenden Festivals des Amateurtheaters die Kammerspiele als Austragungsort anzubieten. 

Chancen für Amateurtheater 

Am Oldenburgischen Staatstheater, das ich vor meinem Start in Linz leiten durfte, gibt es seit Jahrzehnten ein Niederdeutsches Amateur-Ensemble, das mit Unterstützung der Werkstätten und der technischen Abteilungen jedes Jahr drei Neuinszenierungen auf der Bühne des Schauspielhauses herausbringt und damit regelmäßig zehntausend Besucher erreicht. Ein Publikum, das nicht unbedingt von vorneherein die Produktionen eines Staats- oder Landestheaters besuchen würde, das sich aber mit der Sprache und dem Klima des Volkstheaters identifizieren kann und vielleicht doch hier und da Geschmack daran findet, was das Theater ins-gesamt zu bieten hat. Warum sollte Ähnliches nicht in der oberösterreichischen Landeshauptstadt denkbar sein? Ich würde jedenfalls begrüßen, wenn auch auf diesem Gebiet Öffnung und Kooperation, gemeinsames Denken und Erleben auf den Weg zu bringen wäre. Als Testprojekt habe ich mit dem Vorstand des Verbands verabredet, dass wir das an Platz eins gesetzte Stück eines Dramenwettbewerbs, der für das laufende Jahr von Amateurtheater OÖ ausgeschrieben wurde, 2009 in den Kammerspielen zeigen wollen.


Zukunft

Ein kleines Pappmodell war die Überraschung beim jüngsten Planungstreffen. Nigel Bailey, enger Mitarbeiter des Architekten Terry Pawson, stellte es mit einem Lächeln vor. Er selbst betrachtete es wohl als eine Art Spielzeug mit Lerneffekt. Die sieben Etagengrundrisse waren auf Karton kopiert. Decken- und Bodenöffnungen waren ausgeschnitten und wie Tortenschichten aufeinander gesteckt worden. Die Schichten ließen sich einzeln abheben und gaben plastische Einblicke in das Innere frei. Atemberaubende Einblicke.

Ein knappes Dutzend erwachsener Menschen steckte die Köpfe zusammen und staunte. Fachmännisch natürlich, aber auch mit kindlicher Begeisterung. Was für Möglichkeiten bringt dieser Bau für die Zukunft! Tiefgaragen, Foyers auf mehreren Ebenen, Werkstätten von ausreichender Größe, eine Bühne, deren Architektur und Technik den neuesten Standards entspricht, ein Zuschauerraum mit 1.000 bequemen Plätzen, von denen fast 90 Prozent freie Sicht auf die gesamte Spielfläche haben, einen Orchesterproberaum, der auch als Konzertsaal und Aufnahmestudio funktioniert, eine geräumige Studiobühne mit Lobby, Barrierefreiheit wo man hinschaut, Lifte an allen Knotenpunkten, eine Theatercafeteria mit Weitblick auf dem Dach und... und... und... 

TRAUMHAUS 

Mindestens vier Jahre wird es dauern, bis die kleine Pappschachtel in die Originalform umgesetzt ist, bis der Betrieb des dann gewaltigen Spielzeugs anläuft, bis es darin singt und klingt und sich alle Welt freut, das Theaterspiel unter neuen, prächtigen Bedingungen genießen zu können. 

Für die Theaterleitung heißt das: Ärmel aufkrempeln und voraus denken. Planen und prüfen, wie der Übergang in das neue Kapitel der Linzer Theatergeschichte optimal zu gestalten ist. Es gibt jede Menge Aufgaben, die von der neuen Architektur- und Gebäudesituation vorgegeben werden. Denn der Standort Promenade wird, nur um Weniges reduziert, weiterbespielt und das neue Haus auf circa zweihundertachtzig Landestheater-Vorstellungen pro Saison "hochgefahren" werden. 


Auf dem oberen Bild sieht man die sieben Etagengrundrisse zu einem Papp-Modell zusammengebaut. Auf dem unteren ist die oberste Schicht abgenommen und man erkennt den Zuschauerraum. Auch wenn wir auf ein "richtiges" Modell und auf Video-Animationen noch warten - dem Vorstellungsvermögen hilft dieses "Spielzeug mit Lerneffekt" bereits doch ein wenig auf die Sprünge.

MEHR PLATZ, MEHR ARBEIT 

Es geht kein Weg daran vorbei: wir brauchen mehr Personal. Es wird sofort einleuchten, dass auch die Oper am Volksgarten einen Pfortendienst braucht. Und Haustechniker, die das Gebäude betreuen. Und einen verstärkten Kassenservice. Selbstverständlich wird es an beiden Standorten ständig parallel laufende Vorstellungen geben - das bedeutet Mehrbedarf im Bereich Bühnentechnik, Garderobe, Maske, Beleuchtung, Ton, Requisite... Und wie sieht es mit den Künstlern aus? Ist es ebenso einleuchtend, dass die neue (um ein gutes Drittel größere) Bühnenspielfläche von einer vierzehnköpfigen Tanzkompanie kaum dauerhaft überzeugend gefüllt werden kann? Auf dem oberen Bild sieht man die sieben Etagengrundrisse zu einem Papp-Modell zusammengebaut. Auf dem unteren ist die oberste Schicht abgenommen und man erkennt den Zuschauerraum. Ist es einleuchtend, dass ein fünfzigköpfiger Opernchor den großen Klangraum des neuen Hauses besser ausfüllt als ein vierzigköpfiger? Hier haben wir noch jede Menge Klärungsbedarf. Ab 2008 wird deshalb zu diesen Themen auf der Grundlage der politisch schon abgesteckten Rahmenbedingungen verstärkt an neuen Personalstrukturen und Stellenplänen gearbeitet... 

Wie aber finden wir in den kommenden drei Jahren (denn mindestens ein Jahr vor der Eröffnung muss ja der Garten bestellt sein!) das rechte Programmkonzept, damit die großen Kapazitäten, die uns zuwachsen, sinnvoll und erfolgreich genutzt werden können? Welche neuen Schwerpunkte sind zu setzen? Welche neuen Ideen gibt es für das zukünftige Landestheater mit zwei großen Häusern? Greifen wir für heute drei Punkte auf. 

MEHR MUSICAL 


Mennicken plädiert für das Musical (im Bild MAY FAIR LADY mit Julia Klotz als Eliza Doolittle).

Seit langer Zeit hat sich die Zahl der jährlichen Neuinszenierungen in der Sparte Musiktheater auf sechs eingependelt. In Ausnahmefällen kommen kleine Erweiterungen im Kammeroperbereich oder neuerdings im Bereich Kinderoper hinzu. Der Neubau wird zukünftig durchaus die Möglichkeit bieten, sieben oder gar acht großformatige Produktionen pro Saison herauszubringen - das Schauspiel wird ja an der Promenade sein Hauptaktionsfeld haben. 

Mein Vorschlag liegt schon auf dem Tisch. Ich plädiere für das Musical. Bisher ist am Landestheater in der Regel eine Operette oder ein Musical pro Spielzeit mit dem Opernensemble möglich. Das könnte sich nach Eröffnung des neuen Hauses schrittweise ändern. Zunächst wäre an die Realisierung einer Operette u n d eines Musicals pro Spielzeit zu denken. Der zweite Schritt wäre dann die Einrichtung einer Musicalkompanie unter dem Dach des Landestheaters. Meines Erachtens sollten wir uns einerseits vornehmen, über die allerorten obligatorischen Stadt- und Staatstheater-Musicals von KISS ME, KATE bis EVITA hinaus Grundlagenarbeit zu leisten. Andererseits sollten wir dem Industriemusical, wie man es in den großen Metropolen als Tourismus-Business betreibt, unsere eigene, kreative, international vernetzte, aber regional verankerte und nicht-kommerzielle Arbeit gegenüberstellen. Das schließt den Mut ein, auch Musicals ur- und erstaufzuführen, vielleicht sogar neue Musicals zu entwickeln. Die besten Voraussetzungen dazu böte eine Crew von besonders ausgebildeten und ambitionierten jungen Leuten, die das Musical zu ihrem künstlerischen Mittelpunkt erkoren haben. Sängertänzer, Sängerdarstellertänzer, Sängertänzerdarstellermusiker - vielleicht acht an der Zahl und drei, vier spezialisierte Mitarbeiter für Musik, Regie und Choreographie. 


My faire Lady

Um Missverständnissen vorzubeugen: damit soll das Genre nicht ausgegliedert werden! Die Formation sollte neben eigenständigen Produktionen vor allem mit den anderen Sparten zusammenarbeiten, künstlerische Impulse für alle einbringen und auf sämtlichen Bühnen des Landestheaters Präsenz entwickeln. Eine solche Musicalsparte wird derzeit lediglich im Verbundtheater Hannover-Hildesheim getestet, in Österreich wäre sie bis dato ein Alleinstellungsmerkmal für Linz in der Kulturlandschaft. 

MEHR BAROCK 

Nach langen Jahren der Abstinenz des Landestheaters wurde vor bald drei Jahren mit ORFEO von Claudio Monteverdi das Initial zu einer längerfristigen Beschäftigung mit Werken aus den "Kinderjahren" des Musiktheaters gesetzt. Nach dem Neubeginn in meiner Verantwortung war 2006 Henry Purcells FAIRY QUEEN die nächste Etappe. Das Zusammenspiel von Sängern, Tänzern und Schauspielern auf der Grundlage von Shakespeares EIN SOMMERNACHTSTRAUM und Purcells genialer Musik ist für mich ein eindrückliches Beispiel der gemeinsamen Präsentation verschiedener Talente und Künste in einem Theater, das über mehrere Ensembles verfügt. Im Sommer 2008 kommt es in der Einkaufspassage ARKADE zum dritten Barockoper-Projekt. Georg Friedrich Händels Schäfer-Idylle ACIS UND GALATHEA macht den öffentlichen Raum zum Austragungsort exemplarischer Liebes-Wirren - mit hoffentlich einigem Gewinn an musikalischer und komödiantischer Theatralik. Was liegt näher als in dieser Sache konsequent zu sein? Noch am alten Standort wird die Sparte Musiktheater in den nächsten Jahren Barock-Abende präsentieren - das Projekt für 2008/09 steht schon fest! - und für das neue Haus haben wir dann hoffentlich einen großen Kreis von Interessenten gewonnen, die mit uns auf Entdeckungsreisen gehen. Dort ist nämlich angesichts der reichhaltigen Spielformen und Größenverhältnisse barocker Stücke nicht nur die große Bühne als Ort des Geschehens denkbar, sondern auch die neue Studiobühne, das Theaterfoyer und vielleicht sogar der Vorplatz unter Einbeziehung des Volksgartens! 

Beide Genres, Musical und Barockoper, erweisen sich im Übrigen auch als geeignet, die Belastung des Bruckner Orchesters in Grenzen zu halten: wie wir wissen ist die Zahl der Werke, die mit kleineren musikalischen Ensembles zu realisieren sind, erfreulich hoch. Und vielleicht ist zukünftig beim Thema Barock doch genauer zu untersuchen, ob es nicht weiterführend ist, mit spezialisierten Gästen zu arbeiten… 

MEHR NACHWUCHS 

Der dritte Gedanke verknüpft die Solistenensemble-Frage mit der neuen Studiobühne. Es versteht sich von selbst, dass unser Opernensemble im Hinblick auf das neue Haus Ergänzungen braucht. Das dramatische Fach muss ausgebaut werden - wenn es den "Ring" geben soll und andere Opern mit großem Orchester. Darüber hinaus aber wollen wir uns für ein Opernstudio für junge Sängerinnen und Sänger einsetzen. Analog zu den Meisterklassen und Nachwuchsprogrammen an Theatern in München und Zürich - aber auch Nürnberg und neuerdings in Basel - sollen begabte junge Leute für zwei oder drei Jahre mit Stipendien ausgestattet am Landestheater ihre Erkenntnisse und Erfahrungen vertiefen. 


Neben dem klassischen Repertoire - im Bild LA TRAVIATA mit Christiane Boesiger (Violetta) und Jurie Ciobanu (Alfredo) - sieht Mennicken die Chance der Zukunft in der Förderung sowohl darstellender wie auch komponierender junger Talente.

Sie sollen in Zusammenarbeit mit der Anton Bruckner Privatuniversität unterrichtet und an die praktische Theaterarbeit herangeführt werden. Sie sollen kleinere Partien in Produktionen des Landestheaters gestalten und erste Gelegenheiten für Ensemble- und Soloauftritte erhalten. Sie sollen in Hochschulproduktionen mitwirken und bei Eignung auch anspruchsvollere Aufgaben übernehmen. Sie sollen mit Studieraufträgen Korrepetitionen für den Aufbau ihrer Repertoires bekommen und sich von Zeit zu Zeit den musikalisch Verantwortlichen am Landestheater präsentieren. Und als besondere Bewährungsprobe wird einmal pro Spielzeit die Produktion einer kleinen Oper auf der neuen Studiobühne angestrebt. 

Diese Oper sollte von der komponierenden Jugend sein. Denn hier müsste der zweite Schwerpunkt der Förderung junger Talente liegen. Das Landestheater blickt bereits auf eine stolze Geschichte von Ur- und Erstaufführungen zurück - aber der Neubau mit seinem Studioraum für bis zu zweihundert Zuschauer versetzt uns in die Lage, die Arbeit in diesem Bereich zu verstetigen und zu systematisieren. Idealerweise in der Kombination mit den jungen Künstlern des Opernstudios. Gegenwärtig freuen wir uns über das Gelingen der flammneuen Kinderoper DIE KUH ROSMARIE von Claudia Federspieler aus Linz (siehe auch unseren Bericht auf Seite 14!), im April bringen wir DIE ARCHITEKTUR DES REGENS des jungen Grazers Klaus Lang in München und kurz darauf in den Kammerspielen heraus - als Koproduktion mit der Münchener Biennale. 

Weitere Novitäten sind in Vorbereitung und ich wäre begeistert, wenn das Landestheater in Zukunft alljährlich mit einem so interessanten Projekt aufwarten könnte, als Bereicherung und Erweiterung des Spielplan-Angebots. 

DANKE FÜR DAS KOMPLIMENT 

Können Sie sich übrigens vorstellen, als "Freunde des Linzer Musiktheaters" solchen Ideen Aufwind zu geben? Sie werden sich ja doch nach Fertigstellung des Opernhauses nicht einfach auflösen und in alle Winde verstreuen wollen...?! Ganz abgesehen davon, dass wir Sie alle dringend brauchen!! Also ich hätte da ein paar Ideen - aber davon mehr beim nächsten Mal.

Fotos: Mennicken, Artner, Brachwitz


Auf neuen Wegen

Die Spielzeit 2007/08 am Landestheater Linz hat ebenso erfolgreich begonnen wie die vorige zu Ende gegangen war: gut 230.000 Besucher konnten gezählt werden. Das ist keine Kleinigkeit. Andere Städte der Größenordnung von Linz rechnen die Konzert-Besucher ihres städtischen oder Staats-Orchesters in den Statistiken mit und erreichen dennoch nicht einen solchen Wert. Linz und Oberösterreich sind - bei in ganz Österreich ohnehin überdurchschnittlichem Besucheraufkommen im Kulturbereich - offenbar besonders begeistert und beharrlich, wenn es ums Theater geht.

Das allein ist Grund genug, dass nun endlich wahr wird, was so oft schon zum Greifen nah war: der Neubau. Als Dank für all die Besucher, die seit Jahrzehnten unter eingeschränkten, immer unzeitgemäßer werdenden äußeren Bedingungen bereit sind, ihre Neugier und Theaterlust nie aufzugeben. Und als Investition in eine bauliche Zukunft, die der Landeshauptstadt und den Menschen dieser Region nicht nur angemessen ist, sondern sie auch nachhaltig herausfordert, ihr Kulturleben zu erhalten, zu vertiefen und zu erweitern.

RINGEN UM DETAILS

Der Vorentwurf des Neubaus von Architekt Terry Pawson ist abgeschlossen. Der Zeittakt der gemeinsamen Planungsgespräche seines Teams mit dem Theater wird enger und enger. Es wird um Quadratmeter gerungen, um Entfernungen zwischen Garderoben und Probebühnen, um Transportwege zwischen Bühnen und Gewerken. Der Intendant diskutiert mit so oft er kann, ringt mit um Details der Belüftungs-, Foyer- oder Portalplanung, und hofft, dass der ersehnte Souffleurkasten auf der folgenden (vielleicht siebzehnten…?) Planzeichnung nicht doch wieder vergessen wird…

DAUERHAFTER QUALITÄTSSPRUNG

Wenn es dann also wahr wird und das neue Haus 2011 oder 2012 eröffnet ist - sind wir dann am Ziel? Ich denke ja und nein. Linz wird stolz sein dürfen auf eines der technisch und gestalterisch ehrgeizigsten Häuser Europas. Das braucht Entsprechungen auf der Ebene künstlerischer Qualitäten. Sonst ist der Reiz des Neuen nach wenigen Monaten verflogen. Es geht um einen dauerhaft wirksamen Qualitätssprung. Nicht nur in der Infrastruktur und im Sitz-, Seh- und Hörkomfort für diejenigen, die ihr Theater ohnehin schon lange ins Herz geschlossen haben. Es müssen neue Publikumsschichten erschlossen werden, es müssen Angebote formuliert werden für die Zuschauer kommender Jahrzehnte. Was wird sich also ändern? Wie wird das Landestheater seine epochale Aufgabe und Chance nutzen? Wir brauchen jede Menge neuer Ideen!


Ein Beispiel aus der erfolgreich beendeten ersten Spielzeit von Intendant Rainer Mennicken: ORPHÉE von Philip Glass mit Gotho Griesmeier und Martin Achrainer.

DACHMARKE "LANDESTHEATER"

Zunächst aber wäre mein Ziel, die unverwechselbare Dachmarke "Landestheater" zu erhalten. Deshalb trete ich dafür ein, dem neuen Haus den alten Namen zu geben: Landestheater. Wenn wir nicht schon in Kürze zwei unterschiedliche Theater, nämlich das "Landestheater" (an der Promenade) und das zukünftige "Linzer Musiktheater" (am Volksgarten) in den Köpfen und Herzen der Bevölkerung haben wollen, dann m u s s das neue Haus so heißen wie das bisherige: LANDESTHEATER. Dann geht es darum, deutlich zu machen und in Erinnerung zu halten, dass es um verschiedene Spielstätten derselben Einrichtung geht. Und daher sollte jeweils neben oder unter dem Titel LANDESTHEATER die Bezeichnung der Spielstätte stehen:

OPERNHAUS
SCHAUSPIELHAUS
KAMMERSPIELE

Das ist einfach und unmissverständlich. Es ist mir bewusst, dass die Bezeichnung "Linzer Musiktheater" einst aus guten Gründen gewählt wurde - in kulturpolitisch schwierigen Zeiten und mit dem Blick nach vorn. Heute aber schiene es mir fatal, mit der Namensgebung ein falsches Signal in Richtung Aufspaltung zu geben. Es wird schwer genug sein, den lebendigen Austausch der Theaterbeschäftigten zwischen den beiden Enden der Landstraße in Gang zu halten… Wie auch immer: die Öffentlichkeit sollte ein klares Bild der Zusammengehörigkeit vor Augen haben.

MEHRFACHNUTZUNGEN

Zweitens komme ich aufgrund solcher Gedanken und Bedürfnisse zu dem Schluss, dass die Spielstätten zwar schwerpunktmäßig den Sparten des Musiktheaters, des Schauspiels und des Theaters für junge Zuschauer zugeordnet werden müssen - aber keineswegs in deren "Besitz" übergehen dürfen. Es sollte im Gegenteil selbst-verständlich sein, dass zukünftig die eine oder andere großformatige Schauspielarbeit an der Blumau herauskommt, das Ballett auch späterhin einzelne Choreographien auf der Promenadenbühne herausbringt und das Musical je nach Format durchaus auch die Kammerspiele nutzt.

WAGNER UND STRAUSS

Zum Dritten geht es selbstverständlich um die Erweiterung des Opernspielplans mit den Werken, für die bisher der Orchestergraben des Großen Hauses zu klein ist. Es geht um Wagner, ja, um den "Ring", den heiß ersehnten, um die Grand Opéra und um Richard Strauss. Wird das aber - auch in der besten aller (mit dem hoffentlich um ein Fünftel heraufgesetzten Budget finanzierbaren und) erzielbaren Qualitäten dargeboten - ausreichen, dem Theaterstandort Linz die den erhöhten Erwartungen entsprechende Ausstrahlung zu geben?

MODIFIZIERTES SPIELPLANANGEBOT


Ein Beispiel aus der erfolgreich begonnenen zweiten Spielzeit von Intendant Rainer Mennicken: EUGEN ONEGIN mit Cassandra McConnell.

Hochrechnungen aus den letzten Jahren sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das Besucheraufkommen des Landestheaters deutlich über die 300.000er-Grenze hinauswachsen könnte. Unterstellt, dass allein die Theaterinteressenten, die das 204 Jahre alte Landestheater bisher gemieden haben, weil es nicht ihren Vorstellungen von einem attraktiven Theatergebäude entsprach, einen Zuwachs von 20.000 Besuchern bringen - wie sieht es mit weiteren Steigerungsmöglichkeiten aus? Sagen wir: auf 320.000? Es ist nicht davon auszugehen, dass bei gleich bleibender Vorstellungszahl - nur weil mit dem neuen Gebäude mehr komfortable Sitze und ein angenehmes Ambiente locken - allabendlich ein volles Haus garantiert ist. Es wird nicht ohne ein erweitertes und modifiziertes Spielplanangebot gelingen, den Theaterstandort Linz weiter auszubauen.

MEHR ORCHESTERDIENSTE

Das neue Haus ergibt rein rechnerisch die Möglichkeit, das Landestheaterprogramm pro Saison insgesamt um ca. 250 bis 300 Vorstellungen (auf der Großen Bühne und im Studio) aufzustocken, um damit die erwünschten 70.000 Zuschauer anzulocken (womit sich die Gesamtzahl der Veranstaltungen auf weit über Tausend erhöhen würde...). Sicher leuchtet jedermann auf Anhieb ein, dass das Bruckner Orchester, das derzeit in etwa 180 Vorstellungen pro Spielzeit im Großen Haus und in den Kammerspielen musiziert, seine Beteiligung nicht einfach verdoppeln kann. Es wird nicht einmal möglich sein, überhaupt markante Steigerungen zu erreichen angesichts der Konzert- und Tourneeverpflichtungen, die auch in Zukunft bewältigt werden müssen. Aber ohne Orchester wird es keine zusätzlichen Musiktheatervorstellungen geben können. Oder? Lässt sich das Orchester weiter vergrößern, damit mehr Proben und Vorstellungsdienste möglich werden? Wird es Produktionen mit anderen Orchestern auf den neuen Bühnen geben? Auch hier, wo es um Personal und Strukturen geht, drängt sich auf, dass eine lebendige Mehrfachnutzung durch die unter-schiedlichen Sparten und durch neue Programmschienen am ehesten Erfolg verspricht.

NEUE PROGRAMMIDEEN

Jenseits der richtigen Anordnung der vorhandenen Kapazitäten und Potentiale, der Nutzung des neuen Hauses für bestehende, aber bisher nicht zu beantwortende Bedürfnisse, geht es ab sofort um neue Impulse und Programmideen, die erfunden, getestet und umgesetzt werden müssen. Eine Reihe von konkreten Vorschlägen und Szenarien liegen auf dem Tisch - zum Teil seit Jahren, zum Teil frisch und überraschend. Es wird um die Erweiterung des Programms für junge Zuschauer und Senioren gehen, um Musical und um experimentelle Oper, um Gala-Abende, um einen Linzer Theaterball, um Volkstheater, Festspielperspektiven und Sängerförderung. Interessiert Sie das? Dann will ich davon gern in meinem nächsten Beitrag mehr berichten.